Elif berichtet

Familie Hamawi – Rassismusproblem Polizei Berlin

Am Samstag (17.9.2022) haben wir (Ferat Kocak, Niklas Schrader und ich) die Familie Hamawi getroffen, die Opfer einer rassistischen gewaltvollen und kindeswohlgefährdenden Behandlung durch die Berliner Polizei wurde. Es gab eine gemeinsame Pressekonferenz im Büro meiner beiden Abgeordnetenkollegen Kocak und Schrader, damit die Familie den Vorfall aus ihrer Perspektive schildern und öffentlich machen konnte und damit ihre Forderungen Gehör finden.

Hintergrund war eine abgebrochene Festnahme durch die Polizei von Herrn Hamawi aufgrund von einer wegen mehrfachen Fahrens ohne Fahrschein verhängten Geldstrafe von 750 Euro. Die Polizei suchte mit zwei Beamten die aus Syrien geflüchteten Familie in ihrer Wohnung in Berlin-Lichtenberg auf, obwohl sie vorher erklärt hatten die Strafe zahlen zu wollen und um Ratenzahlung bei der Polizei gebeten hatten. Im Rahmen der Maßnahme brachte einer der Polizeibeamten Herr Hamawi gewaltvoll zu Boden und verletzte ihn dabei und nahm keinerlei Rücksicht vor schlafenden und dann schreienden kleinen Kindern. Zudem beleidigte er die Familie rassistisch mit Äußerungen wie „Das ist mein Land, Du bist hier Gast“, und bedrohte sie mit der Aussage „Halt die Fresse. .. Ich bringe Dich ins Gefängnis“.

In der Pressekonferenz berichtete die Familie den Vorfall und seine Spuren, den er bei ihnen und vor allem den Kindern hinterlassen hat. Wie die Eltern berichteten stehen ihre Kinder immer noch unter Schock und fragen ihre Eltern, warum dies hier nicht ihr Land sei, obwohl sie doch hier lebten. Frau und Herr Hamawi forderten, dass die Beamten aus dem Dienst entfernt würden.

Als Mensch, als Mutter, als Person mit Rassismuserfahrung und als Politikerin hat mich der Vorfall wie viele Berliner*innen schockiert und ich unterstütze die Forderungen der Familie. Es braucht Aufklärung und Konsequenzen und die Entfernung dieser Beamten aus dem Dienst!

Dieser Vorfall verdeutlicht aber ein grundsätzliches Problem: Den strukturellen Rassismus in der Berliner Polizei. Der Polizeibeamte handelte, wie im Video zu erkennen ist, sehr selbstsicher und mit einer Selbstverständlichkeit sowie (trotz des Filmens!) ohne jede Sorge, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Sein passiverer Kollege hinderte ihn nicht daran und meldete den Vorfall anschließend auch nicht seinen Vorgesetzten, so als wäre ihr Verhalten völlig gewöhnlich. Wer so agiert geht davon aus, dass ein solches Verhalten von der Polizei toleriert wird.

Die vielen Skandale um rechte Chatgruppen, Informationsweitergabe an Rechtsextremist*innen durch Berliner Polizeibeamte, aber auch die nicht abnehmende Praxis des „racial profiling“ weisen auf ein strukturelles Rassismus-Problem und wie Ferat betonte auch auf ein Rechtsextremismus-Problem der Polizei hin.

Als Linksfraktion sehen wir über die Ahndung der handelnden Polizeibeamten hinaus Handlungsbedarf und machen folgende Vorschläge:

  • Weiterführung der Rassismus-Studie bei der Polizei, wie im Berliner Koalitionsvertrag verabredet
  • Prüfung einer Schärfung des Disziplinarrechts und stärkere Berücksichtigung von rassistischen und sonstigen diskriminierenden Motiven der handelnden Beamt*innen
  • Stärkung des Landesantidiskriminierungsrechts durch Schärfung der Instrumente des Landesantidiskriminierungsgesetzes, u.a. durch Einführung eines Initiativrechts der Ombudsstelle, damit sie auch ohne Beschwerde im Einzelfall aktiv werden kann sowie ein unabhängiges Presserecht der Ombudsstelle (hierzu wurde eine Evaluation und Weiterentwicklung für 2024 im Berliner Koalitionsvertrag verabredet, aber schon jetzt ist der Reformbedarf offensichtlich)
  • die im Rahmen des Diversity-Landesprogramms im Koalitionsvertrag verabredeten unabhängigen diskriminierungskritischen Untersuchungen innerhalb aller Berliner Behörden müssen voran gebracht werden
  • Entkriminalisierung von „Fahren ohne Fahrschein“ und Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe, wie es die @linksfraktionBundestag schon lange fordert und wie es unsere Justizsenatorin Berlins Lena Kreck unmittelbar nach Amtsantritt in die Debatte brachte und sich auch mit entsprechenden Anträgen bei der Justizministerkonferenz im Juni 2022 einbrachte. Ein Prüfungsauftrag an das Bundesjustizministerium wurde so dort auch beschlossen, dem dieses auch nachkommen möchte. (Im Berliner Koalitionsvertrag ist ebenfalls der Einsatz Berlins dafür beim Bund verabredet.)
  • Außerdem wird deutlich, das wir als Parlament zeitnah die verabredete Enquete-Kommission „gegen strukturellen Rassismus und Diskriminierung in Gesellschaft und staatlichen Einrichtungen“ einrichten sollten, um aufzudecken und Gegenmaßnahmen zu entwickeln

Am Montag wird der Vorfall im Innenausschuss behandelt werden und am Mittwoch im Rechts- und Antidiskriminierungsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Hier aktuelle Berichte zu dem Vorfall und zur Pressekonferenz am Samstag (17.9.2022):